Kredite an Fracking-Firmen werden faul

Kurzfristig fördern auch bankrotte Firmen weiter Öl

Am Ölmarkt besteht ein Überangebot und der Ölpreis fällt immer weiter. Manche US-Produzenten von Schieferöl können daher ihre Kredite nicht mehr bedienen. Das bedeutet aber nicht, dass sie die Ölförderung einstellen. Im Gegenteil: Wer pleite ist, hat einen Kostenvorteil.

Der Ölpreis ist seit Beginn dieses Jahres um gut ein Fünftel gefallen. Ein Fass (159 Liter) der Nordsee Ölsorte Brent kostet mittlerweile weniger als 30 Dollar. Vor anderthalb Jahren war das ‚schwarze Gold‘ noch knapp vier Mal so teuer. Für den Preisverfall in den letzten zwei Wochen sind vor allem China und Iran verantwortlich. In China scheint die Wirtschaft noch langsamer zu wachsen als noch Ende 2015 geschätzt und der Iran kann wieder Öl auf dem Weltmarkt verkaufen, nachdem am letzten Wochenende die Sanktionen gegen das Land aufgehoben wurden (siehe Kasten). Der Rückgang der Preise in den Monaten zuvor ist aber den USA und Saudi Arabien geschuldet: Die USA haben in den letzten fünf Jahren ihre Ölproduktion fast verdoppelt und fördern nun knapp zehn Millionen Fass pro Tag. Dieser Anstieg ist zwei Technologien zu verdanken: der Möglichkeit waagrechte Löcher in die Erde zu bohren und dem Fracking. Bei letzterem wird eine Chemikalien-Sand Lösung in die Bohrlöcher gepresst, um das Gestein aufzubrechen und Schiefergas oder –öl herauszulösen. Doch diese Fördertechnik ist relativ teuer. Daher hat das von Saudi Arabien angeführte Ölkartell Opec bislang seine Fördermenge beibehalten – in der Hoffnung die neue Konkurrenz schliesslich durch niedrige Preise wieder aus dem Ölmarkt drängen zu können.

Immer weiter. Fracking Firmen fördern auch nach einem Konkurs weiter Öl und Gas, schliesslich wollen die neuen Eigentümer (die Banken) ihr Geld zurück. (Foto: Pixabay)
Immer weiter. Fracking Firmen fördern auch nach einem Konkurs weiter Öl und Gas, schliesslich wollen die neuen Eigentümer (die Banken) ihr Geld zurück. (Foto: Pixabay)

Diese Taktik hatte bislang noch keinen Einfluss auf den Angebotsüberhang auf dem Ölmarkt. Die grossen westlichen Ölfirmen haben zwar ihre Investitionen in die Erschliessung neuer Ölfelder letztes Jahr um rund ein Fünftel auf noch 650 Milliarden Dollar gesenkt. Dies wird zum Teil aber durch eine Ausweitung des Ölangebots durch die Opecländer und Russland wettgemacht. Diese Staaten sehen sich mit wegbrechenden Staatseinnahmen konfrontiert und versuchen ihre Exporte zu steigern, um die niedrigen Preise zu kompensieren. Die US-Ölproduktion blieb derweil relativ stabil. Die Zahl der Bohrtürme ist zwar deutlich gefallen, aber die Produktivität der verbliebenen Anlagen ist entsprechend gestiegen. [1] Doch nun mehren sich die Anzeichen, dass der Ölpreis der Fracking-Industrie doch zusetzt: Letzte Woche haben die grossen US-Banken angekündigt, ihre Rückstellungen für Kreditausfälle in der Energiewirtschaft deutlich zu erhöhen. Die grösste US-Bank JPMorgan Chase warnt, dass dieses Jahr zusätzlich 750 Millionen Dollar zurückgestellt werden müssen, falls der Ölpreis bei 30 Dollar bleibt. Bei Citigroup lagen die Kreditausfälle im letzten Quartal 2015 um knapp ein Drittel über denen ein Jahr zuvor. Schuld daran sind vor allem Darlehen an den Energiesektor. [2]

Doch selbst wenn Kreditnehmer aus der Fracking-Industrie Pleite gehen, sinkt dadurch nicht deren Fördermenge. Kurzfristig bedeutet ein Konkurs nur, dass eine Firma in den Besitz der Kreditgeber, also der Banken, übergeht. Diese haben aber ein Interesse daran weiter Öl zu fördern, so lange der Ölpreis über den direkten Förderkosten, den sogenannten Grenzkosten, liegt. Ist ein Unternehmen erst mal pleite hat es sogar einen Kostenvorteil, weil es nicht länger die Zinsen für ausstehende Kredite erwirtschaften muss. Für den Ölpreis bedeutet dies nichts Gutes, sagt Anatole Kaletsky, der Chefökonom von Gavekal Dragonomics, einer Beratungsfirma: „Angenommen das Opec-Kartell bleibt gelähmt, dann wird Öl gehandelt wie jeder andere Rohstoff in einem Markt mit Wettbewerb. Sobald die Investoren diese neue Realität verstehen, werden sie sich auf ein fundamentales Prinzip der Wirtschaftswissenschaften konzentrieren: dass der Preis den Grenzkosten entspricht.“ [3] Der Ölpreis entspricht dann den Förderkosten des billigsten Anbieters für dessen Öl keine Nachfrage mehr besteht. Vor diesem Hintergrund wird auch eine Preisprognose der britischen Bank Standard Chartered verständlich: Diese glaubt, dass der Ölpreis auf zehn Dollar fallen könnte, bevor der Markt merkt, „dass (der Preisverfall) zu weit gegangen ist“. [2]

Denn irgendwann wird die Ölproduktion sinken, wenn nicht neue Ölfelder erschlossen werden. Egal ob herkömmliches Öl oder Schieferöl: Jedes Vorkommen geht irgendwann zur Neige. Aus diesem Grund sorgt sich Fatih Birol, der Chef der Internationalen Energieagentur IEA, dass derzeit nicht genug in die Erschliessung neuer Ölquellen investiert wird. „Im Jahr 2015 sind die Ölinvestitionen um 20 Prozent gefallen. Dieses Jahr erwarten wir ebenfalls einen Rückgang. Das hat es in der Vergangenheit noch nie gegeben, dass die Investitionen in zwei aufeinander folgenden Jahren gefallen sind.“ [4] mic

 

Jetzt kommt auch noch der Iran

Eigentlich kümmert sich die Internationale Atomenergieagentur IAEA um Atomstrom. Doch am vergangenen Samstag hat sie den Ölmarkt bewegt: Die IAEA hat bestätigt, dass sich der Iran an seine Verpflichtungen aus dem Nuklearabkommen mit den USA und der EU hält. Damit fallen die UN-Sanktionen gegen den Iran weg und dieser kann sein Öl wieder auf dem Weltmarkt anbieten. Dieses Jahr plant das Land zusätzliche Ölexporte von 500‘000 Fass pro Tag und mittelfristig hofft Teheran die Produktion sogar um einen Million Fass pro Tag erhöhen zu können. Das wäre ein Drittel mehr als heute. Viele Experten sind allerdings skeptisch, dass der Iran seine Produktion schnell erhöhen kann. Wegen der Sanktionen wurde dort viele Jahre lang kaum in die Ölindustrie investiert. In jedem Fall kann der Iran aber mit höheren Exporten und damit wohl auch Einnahmen rechnen. Dadurch verbessert sich seine Situation in den Stellvertreterkriegen gegen Saudi Arabien, also in Syrien und dem Jemen. Sowohl der iranische Präsident Hassan Rouhani als auch der russische Präsident Vladimir Putin haben daher im Dezember letzten Jahres angedeutet der Ölpreis Kollaps könnte Folge einer Verschwörung sein. Rouhani sagte der Preisverfall sei „politisch motiviert“ und eine „Verschwörung gegen die Interessen der (Golf-) Region und der muslimischen Welt“. [5] Putin fragte derweil: „Wir alle sehen den sinkenden Ölpreis. Könnte (die Ursache) ein Abkommen zwischen den USA und Saudi Arabien sein, um den Iran zu bestrafen und die Volkswirtschaften von Russland und Venezuela zu schädigen? Es könnte.“ [6] Beweise für diese Theorien blieben die beiden Präsidenten aber schuldig. mic

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[1] Oilprice.com, 18.01.2016: U.S. Crude Production Could Fall Harder Than Thought In 2016

[2] Financial Times, 15.01.2015: Big US banks reveal oil price damage

[3] Project Syndicate, 23.12.2015: Why Big Oil Should Kill Itself

[4] Hürriyet, 12.01.2016: Low oil prices will not go on much longer: IEA head Birol

[5] Oilprice.com, 23.12.2015: Did The Saudis And The US Collude In Dropping Oil Prices?

[6] Russia Insider, 03.01.2015: Russia Is Not Sure Oil Price Is a US-Saudi Conspiracy