Bei den Klimaverhandlungen in Paris entstehen neue Koalitionen zwischen Ländern
Die Klimakonvention kennt seit mehr als 20 Jahren eine Weltordnung: Es gibt Entwicklungsländer und Industrieländer. Doch die Staaten mischen die Karten nun neu.
Seit Tagen geistern Gerüchte um eine neue “high-ambition coalition” – zu deutsch eine “Koalition der hohen Ambition” – durch die Flure des Konferenzentrums Le Bourget, in dem die Umweltminister an einem neuen Weltklimavertrag feilen. Die Europäische Union und 79 Länder aus Afrika, der Karibik und dem Pazifik (die AKP Staaten) haben am Dienstag in Paris ein Bündnis für die Klimaverhandlungen gebildet, das sich genau dies zumindest zum Ziel gesetzt hat. “Diese Verhandlungen betreffen uns alle”, sagte Miguel Arias Cañete, EU-Kommissar für Klimaschutz und Energie. “Deswegen wollen wir uns verbünden und andere Länder dazu aufrufen, sich uns anzuschließen. Die EU steht Schulter an Schulter mit ihren Partnern aus Afrika, der Karibik und dem Pazifik”, so Cañete.
Man habe jetzt eine Mehrheit für stärkeren Klimaschutz, betonte AKP Chef Patrick Gomes: Die 28 EU-Staaten und 79 AKP Staaten machen mehr als Hälfte der 195 Mitglieder der UN-Klimakonvention aus. Offiziell gilt dies wenig, da eine Entscheidung in den Verhandlungen den Konsens aller Staaten erfordert. Für ‘die Mehrheit’ zu sprechen, wirkt aber symbolisch.
Aber nicht nur die EU sammelt ihre Truppen. Auch die Schwellenländer schliessen die Reihen. Sie haben ‘Basic’ wiederbelebt, eine Ländergruppe bestehend aus China, Indien, Brasilien und Südafrika. Diese Länder wollen unbedingt den Status als ‘Entwicklungsland’ behalten. “Hier sind wir Mitglied von G77”, also der Gruppe der Entwicklungsländer, sagt Xie Zhenhua, Chinas Sondergesandter fürs Klima. Das liegt am Artikel 4.2 der Klimakonvention. Dort ist festgelegt, dass die Industriestaaten ‘Schuld’ an der Klimaerwärmung sind. 80 Prozent aller Treibhausgase in der Atmosphäre stammten im Jahr 1992 aus ihren Schloten. Doch seither ist China zum weltgrößten Treibhausgas-Emittenten aufgestiegen, und die dortigen Pro-Kopf-Emmissionen sind mittlerweile höher als in Frankreich, Spanien oder Schweden.
“Wir sind nicht nach Paris gekommen, um eine neue Konvention zu verabschieden”, sagt deshalb Xie. “Wir sind nach Paris gekommen, um ein neues Abkommen unter dem Dach der Klimakonvention zu beschließen”. Zu gut deutsch: keiner rüttelt am Artikel 4.2. China steht mit dieser Haltung nicht alleine da. “Die Industriestaaten sind Schuld am Problem, deshalb müssen sie liefern”, sagt Prakash Javadekar, der Umweltminister Indiens, das mittlerweile viertgrösster Emittent ist. “Wir brauchen die Differenzierung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern”, sagt auch Edna Bomo Molewa, die Umweltministerin Südafrikas.
Aber genau diese Differenzierung wollen die USA und die EU zumindest abschwächen. Sie wollen inbesondere bei der Klimafinanzierung “Länder, die dazu in der Lage sind”, ebenfalls in die Pflicht nehmen. Aus Sicht der Europäer ist dies auch eine Frage der Gerechtigkeit, da sonst Griechenland Saudi-Arabien finanzieren muss. Aber selbst die am wenigsten entwickelten Staaten wollen ein Ende von Artikel 4.2: “Staaten, die mittlerweile selbst erheblich zum Problem beitragen, müssen sich auch an der Lösung beteiligen”, erklärt Bubu Pateh Jallow, Chefunterhändler der ärmsten Länder. Das ficht die Schwellenländer bislang aber nicht an. “Die Solidarität unter uns Entwicklungsländern ist ungebrochen”, sagte Xie.
Der Streit um die Differenzierung zwischen den Ländern bedroht die Qualität des Paris-Abkommens. Das Tauschgeschäft sieht so aus: Je stärker zwischen den Ländern unterschieden wird, desto robuster werden die Regeln zu den nationalen Klimaplänen und der CO2-Buchhaltung (zumindest für die Industriestaaten). Wird hingegen kaum differenziert, akzeptieren die ‘Entwicklungsländer’ nur schwache Regeln. “Der Preis für weniger Differenzierung ist ein weniger robustes Abkommen”, erklärt ein europäischer Diplomat. mic (mit Material von Nick Reimer und Susanne Schwarz)
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