Jetzt müssen die Diplomaten liefern

Auf Ministerebene nimmt der neue Weltklimavertrag Konturen an

Die Klimaminister der Welt feilen bereits an Kompromissen, während sich ihre Diplomaten noch durch einen Wust widersprüchlicher Optionen kämpfen. Dieser Gegensatz ist für die Klimaverhandlungen gefährlich, denn am Schluss zählt der Text.

Noch 20 Verhandlungstage. Dann soll ein neuer Weltklimavertrag ausgehandelt sein. Heute (Montag) beginnt in Bonn eine weitere Runde der Klimaverhandlungen. Während dieser fünf Tage müssen die Klimadiplomaten liefern. Auf dem Tisch liegt ein (etwas) abgespeckter Verhandlungstext mit 76 Seiten. Dieser Text wurde von den beiden Co-Vorsitzenden ausgearbeitet, nachdem die Ländervertreter in der letzten Verhandlungsrunde im Juni nur minimale Fortschritte erzielt hatten.

Glacier. Beim Treffen von 20 an der Arktis interessierten Ländern geht es nicht nur um Gletscher, sondern um viel, viel mehr, nämlich: Global Leadership in the Arctic: Cooperation, Innovation, Engagement, and Resilience (Foto: NPS/Wikipedia)
Glacier. Beim Treffen von 20 an der Arktis interessierten Ländern geht es nicht nur um Gletscher, sondern um viel, viel mehr, nämlich: Global Leadership in the Arctic: Cooperation, Innovation, Engagement, and Resilience (Foto: NPS/Wikipedia)

EU Klimakommissar Miguel Arias Canete ist besorgt über den langsamen Fortschritt in den Verhandlungen: „Die technischen Gespräche hinken deutlich hinter den politischen Diskussionen her. Das muss sich ändern.“ [1] Auf Ministerebene wurden bereits diverse Fortschritte erzielt, etwa beim Forum der grössten Volkswirtschaften oder bei einem Ministertreffen im Juli in Paris. Dort wurde etwa vereinbart, dass die Klimapläne der Länder alle fünf Jahre überprüft werden sollen. Die französische Klimabotschafterin Laurence Tubiana hatte dies damals als „Durchbruch“ gefeiert. Doch die verschiedenen Ministertreffen sind nicht Teil des offiziellen Verhandlungsprozesses. Die ‚Durchbrüche‘ auf der politischen Ebene müssen Niederschlag im Verhandlungstext finden, bevor man wirklich von Fortschritt sprechen kann.

Der grösste Fortschritt auf der technischen Ebene ist bislang die Struktur des Textes. Die beiden Co-Vorsitzenden haben die vielen Elemente in drei ‚Körbe‘ eingeteilt: 1. Elemente, die Teil des Pariser Abkommens werden und damit völkerrechtlich verbindlich sind. Dieses Abkommen soll den Rahmen für die Klimaschutzanstrengungen der Länder in den kommenden Jahrzehnten bieten. 2. Elemente, die in Form eines Beschlusses der Vertragsparteienkonferenz der UN-Klimakonvention verabschiedet werden. Diese Beschlüsse liefern die Details zum Rahmenabkommen, die Gebrauchsanleitung. Und 3. Elemente, wo noch unklar ist, wo sie hin gehören. Dieser dritte ‚Korb‘ ist bislang noch der umfangreichste.

Langsam aber stetig reichen die Länder zudem ihre nationalen Klimapläne beim UN-Klimasekretariat ein. Mittlerweile haben 57 Industrie- und Entwicklungsländer einen solchen Plan eingereicht. [2] Diese decken rund zwei Drittel der weltweiten Emissionen ab. Dabei werde allerdings auch klar, dass das Paris Abkommen allein die Klimaerwärmung nicht auf zwei Grad begrenzen könne, sagt Christiana Figueres, die Chefin des UN-Klimasekretariats: „Die nationalen Klimaplände allein werden uns nicht unter einer Klimaerwärmung von zwei Grad in diesem Jahrhundert halten. Aber sie unterstreichen eine klare Abkehr vom ‚Weiter-So-Szenario‘ und legen die Grundlage um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, wenn die Regierungen mit der Zeit immer ehrgeizigeren Zielen zustimmen.“ Eine Möglichkeit, um den magelnden Ehrgeiz der aktuellen Klimapläne aufzufangen, ist ein Langfristziel, das vorgibt bis wann die Emissionen auf Null fallen sollen. „Dies gibt Investoren ein klares Signal, wohin die Reise geht.“, sagt Mohamed Adow von der Entwicklungsorgansation Christian Aid.

Das schwierigste Thema wird in Bonn nur am Rande zur Sprache kommen: Geld. Die Industriestaaten haben den Entwicklungsländern versprochen, ab dem Jahr 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel zu „mobilisieren“. Auf dieses Versprechen verlassen sich die Entwicklungsländer. In ihren nationalen Klimaplänen unterscheiden einige Entwicklungsländer daher zwischen Massnahmen, die sie ohne Hilfe umsetzen können und Massnahmen, für die sie finanzielle Unterstützung benötigen. Obwohl erst sieben Entwicklungsländer ihren Finanzbedarf beziffert haben, liegt die Summe bereits bei knapp 300 Milliarden Dollar für 15 Jahre. Am meisten Geld will Äthiopien: Das Land hat einen Bedarf von 150 Milliarden Dollar für seine „Grüne Wirtschaftsstrategie“ angemeldet.

Gelegenheit über die Herkunft der Klimahilfen zu sprechen bieten sich den Ministern bei zwei Veranstaltungen ausserhalb der Klimaverhandlungen. Heute (Montag) findet in Alaska der ‚Glacier‘* Gipfel statt. Mit dabei sind US-Präsident Barack Obama und Vertreter von 19 weiteren Ländern darunter China , Indien, Russland und einige europäische Staaten. Am Wochenende (6. und 7. September) veranstaltet ausserdem Frankreich ein weiteres Ministertreffen. Für die Klimaverhandlungen diese Woche in Bonn erhöht sich damit der Erfolgsdruck, denn sonst fällt die ‚technische Ebene‘ noch weiter hinter die ‚politische Ebene‘ zurück. mic

*Glacier heisst nicht etwa Gletscher sondern ist eine Abkürzung und steht für: Global Leadership in the Arctic: Cooperation, Innovation, Engagement, and Resilience.

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[1] EU, 20.08.2015: EU press briefing, Brussels, 20 August, 2015

[2] UNFCCC, Stand 31.08.2015: INDCs as communicated by Parties