Wenn Meerjungfrauen weinen

Kleider aus Kunstfasern setzen bei jedem Waschen 1900 Fäserchen frei, die in den Meeren landen

Die Plastikverschmutzung der Meere ist ein bekanntes Problem. Neu ist, dass ein Grossteil der kleinen Plastikpartikel von Textilien stammen. Ein EU Projekt soll diese Verschmutzung nun um 70 Prozent reduzieren.

Die Weltmeere verwandeln sich zunehmend in eine ‚Plastiksuppe‘. Bekannt sind vor allem die grossen Müllstrudel im Atlantik und Pazifik. In letzterem kommen sechs Plastikpartikel auf ein Plankton-Kleinlebewesen. Im Mittelmeer hat das Plankton noch die Mehrheit. Auf zwei der Kleinlebewesen kommt ein Plastikpartikel, die auch Tränen der Meerjungfrauen genannt werden. Bislang ging man immer davon aus, dass der grösste Teil dieses Plastiks entweder vom Land in die Meere geschwemmt wird oder von Schiffen stammt. Die grösste Quelle der Plastikverschmutzung sind aber Kleider, wie eine Studie in der Fachzeitschrift Environmental Science and Technology zeigt. [1] Der Autor, Mark Browne von der Universität Kalifornien, hat Plastikfasern an Stränden analysiert und festgestellt, dass es sich bei 85 Prozent um Textilfasern handelt etwa Polyester- oder Akrylfasern. Daraufhin hat er Tests mit Waschmaschinen durchgeführt: Ein Kleidungsstück aus synthetischem Material verliert pro Waschgang bis zu 1900 Fasern. Diese Fasern sind mit dem blossen Auge kaum zu erkennen. Sie sind auch zu klein, um von Kläranlagen herausgefiltert zu werden und gelangen daher in die Meere, wo sie dann bleiben: Da Plastikmoleküle sehr stabil sind, zerfallen die Plastikfasern zwar in immer kleinere Stücke aber sie zersetzen sich nicht.

Lecker: Im Mittelmeer kommt ein Plastikpartikel auf zwei Plankton-Kleinlebewesen. (Foto: M.Danny25, Wikimedia)
Lecker: Im Mittelmeer kommt ein Plastikpartikel auf zwei Plankton-Kleinlebewesen. (Foto: M.Danny25, Wikimedia)

Bis es soweit ist, können sich Giftstoffe an den Plastikpartikeln anlagern oder sie werden von einem Film aus Bakterien und Viren überzogen. Verwechseln dann Fische die Plastikpartikel mit Plankton ist der Kreis geschlossen: die Giftstoffe landen wieder auf dem Teller. Bei Krusten- und Schalentieren oder Sprotten, die vor der Zubereitung nicht ausgenommen werden, verzehrt der Mensch sogar das Mikroplastik, das sich in deren Mägen angesammelt hat. Die EU hat dieses Problem mittlerweile erkannt und ein Projekt aufgelegt [2], das das Problem von drei Seiten her untersucht: Der erste Ansatzpunkt ist die Textilindustrie. Diese soll ermutigt werden, Kunstfasern einzusetzen, die weniger Fasern beim Waschen abgeben. Dann kommen die Hersteller von Waschmitteln. Diese sollen prüfen, ob sie durch Zusätze die Zahl der Fasern reduzieren können. Und schliesslich sind auch die Produzenten von Waschmaschinen in der Pflicht: Diese könnten Filter in ihre Maschinen einbauen, um die verbleibenden Fasern aus dem Wasch-Abwasser zu eliminieren. Ziel des Projekts ist eine Reduktion der Anzahl Fasern im Wasch-Abwasser um mindestens 70 Prozent.

Zumindest ein Hersteller von Waschmaschinen hat sich bereits mit dem Plastikfaserproblem beschäftigt, die Firma BSH Hausgeräte, die Waschmaschinen unter den Markennamen Siemens und Bosch produziert. „Wir bei der BSH erforschen das Thema Mikroplastics bereits seit einigen Jahren.“, teilt BSH Sprecherin Johanna Janusch mit. „Um das Problem umfassend zu lösen, müsste man bei dessen Ursache anfangen, also bei der Herstellung von Textilien, da insbesondere während der ersten Gebrauchsphasen eines Textils sehr viele Fasern abgelöst werden.“ Einen Filter für die Mikrofasern hat aber auch BSH noch nicht: „Bislang gibt es leider noch keine vernünftige Lösung für unsere Serien-Waschmaschinen und -Trockner, die diese kleinen Fasern aus der Lauge entfernen könnte. Darüber hinaus müssten diese Fasern dann von den Konsumenten auch entsprechend entsorgt werden, damit diese nicht ins Abwasser gelangen.“

Die Hersteller hinter den Marken Miele, Bauknecht und AEG/Electrolux haben auf die Frage nach der Faserproblematik nicht geantwortet. Damit bestätigen sie eine Aussage von Maria Westerbros, der Chefin der niederländischen Umweltorganisation Plastic Soup Foundation [3]: „Trotz der Warnungen vieler Wissenschaftler ignorieren viele Hersteller von Waschmaschinen das Problem. Das kann doch nicht sein.“ Ein Vorbild könnten hier die USA sein: Dort sind Filter zumindest für Grosswäschereien Pflicht. mic

 

Plastikverschmutzung durch Kosmetika weitgehend gelöst

Viele Kosmetika wie Peelings enthalten kleine (0,01 bis 1 mm) Plastikkügelchen, um tote Hautzellen abrubbeln zu können. Diese Plastikkügelchen sind so klein, dass sie von Kläranlagen nur zum Teil herausgefiltert werden und daher letztlich im Meer landen. Einer niederländischen Umweltorganisation, der ‚Stiftung Nordsee‘ [4], ist zuerst aufgefallen, dass dies keine gute Idee ist. Im Jahr 2011 kontaktierte sie die Hersteller von Kosmetika mit der Bitte, auf den Einsatz von Mikroplastik in ihren Produkten zu verzichten. Einige kleinere Hersteller aus den Niederlanden kamen der Bitte nach. Im Jahr darauf wurde dann einer der Industriegiganten mit einer Kampagne auf dem Kurznachrichtendienst Twitter ins Visier genommen. Kurz darauf kündigte Unilever an, ab diesem Jahr auf den Einsatz der Plastikkügelchen in Kosmetika zu verzichten. Als Alternativen stehen gemahlene Nussschalen oder Pflanzenfasern (Zellulose) zur Verfügung. Nach und nach konnten dann die meisten grösseren Hersteller von Kosmetika überzeugt werden dem Beispiel von Unilever zu folgen. Mittlerweile haben The Body Shop, L’Oréal, Johnson und Johnson, Procter und Gamble, Beiersdorf, Louis Widmer sowie Coop und Migros (Eigenmarken) angekündigt, in ihren Kosmetikartikeln kein Mikroplastik mehr zu verwenden. Bei einigen Firmen brauchte es dabei mehr Überzeugungsarbeit als bei anderen. Für den auf ‚Naturkosmetika‘ spezialisierten Hersteller Yves Rocher musste gar eine Unterschriftensammlung organisiert werden. [5] Parallel wird versucht Mikroplastik in Kosmetika zu verbieten. Die Niederlande sowie einige US-Bundesstaaten haben dies bereits getan. In der Schweiz, in Deutschland und in der EU haben Parlamentarier oder EU-Mitgliedsländer derartige Verbote angeregt. mic

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS
oder folgen sie der Facebook Seite

[1] Mark Anthony Browne et al, in Environmental Science and Technology, 06.09.2011: Accumulations of microplastic on shorelines worldwide: sources and sinks (PDF)

[2] EU Projekt Life-Mermaids, ab Juli 2014: Mitigation of microplastics impact caused by textile washing processes

[3] The Plastic Soup Foundation

[4] The North Sea Foundation

[5] Bund Umwelt und Naturschuty Deutschland: Erfolg im Kampf gegen Mikroplastik – Yves Rocher: Kein Mikroplastik in Kosmetik!