Neue chinesische Regierung muss Umwelt schützen, um ihr Machtmonopol zu sichern
Umweltschutz war früher die Domäne der Umweltpolitiker. Doch beim Führungswechsel in Peking ist klar geworden, dass es mittlerweile um mehr geht als die Umwelt. Bei Umweltprotesten wird indirekt auch das Machtmonopol der kommunistischen Partei in Frage gestellt.
Chinas kommunistische Partei hat einen neuen Chef, Xi Jinping, und das gleiche Ziel wie zuvor: den Machterhalt. Um die Macht zu sichern muss vor allem die Wirtschaft wachsen. Ausserdem darf die Korruption der Kader nicht allzu augenfällig werden. Und dann gibt es noch die Sicherheitsorgane, für die China mehr Geld ausgibt als für Verteidigung. Doch nun kommt ein weiteres Element dazu, ohne das die Stabilität der Einparteiendiktatur nicht gewährleistet werden kann: der Umweltschutz. Die Weltbank schätzt die Kosten durch Umweltschäden auf 5,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts BIP. Doch die Chinesen wollen sich nicht länger vergiften lassen. Gemäss einer Gallup Umfrage finden 57 Prozent der Chinesen Umweltschutz wichtiger als Wirtschaftswachstum und lassen dies die Regierung auch wissen: Innert eines Jahres ist die Zahl grosser Umweltproteste um 120 Prozent gestiegen, sagt Yang Chaofei, der Vizechef der Chinesischen Gesellschaft für Umweltwissenschaften. [1] Diese Proteste enden oft in gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten. So haben sich letzten Dezember die Bewohner von Haimen in der Guangdong Provinz Strassenschlachten mit der Polizei geliefert, um den Bau eines Kohlekraftwerks zu verhindern. Doch bei derartigen Protesten geht es nicht nur um lokale Umweltprobleme: „Die Umwelt ist eine Reflektion des politischen Problems.“ sagte ein Demonstrant am Rande von Demonstrationen gegen den Ausbau eines Chemiewerks in Ningbo gegenüber dem Foreign Policy Magazin. [1] Dies bestätigt auch Ma Jun, einer der bekanntesten chinesischen Umweltaktivisten: „China hat Instrumente und Strategien zur Verfügung, um schneller zu einer Lösung (der Umweltprobleme) zu kommen. Doch ohne freie Presse, unabhängige Gerichte und eine lebhafte Zivilgesellschaft ist es oft bequemer, schlechte Nachrichten zu ignorieren als etwas dagegen zu tun.“ [1]
Dabei tut China bereits einiges. Der aktuelle Fünfjahresplan gibt das Ziel vor die CO2 Emissionen pro Yuan Wirtschaftsleistung um 40 bis 45 Prozent bis 2020 zu senken. Ausserdem wurde das Ausbauziel für erneuerbare Energien vor wenigen Wochen angehoben: Statt 11,4 Prozent wie im Fünfjahresplan vorgesehen, sollen nun 30 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen. Für das ehrgeizige neue Ziel gibt es allerdings mehrere Gründe, nicht nur den Klimaschutz. Zum einen sorgt sich Peking um die Versorgungssicherheit. China importiert immer mehr Öl und Gas aus dem Mittleren Osten und der Iran droht immer wieder die Strasse von Hormuz zu schliessen. Zudem lauern vor der Küste Somalias Piraten. Die grösste Sorge der chinesischen Strategen ist aber die Malakka Strasse vor Singapur, ein sogenannter „Choke Point“ (von englisch to choke = erdrosseln). Hier kann die US Marine Chinas Energieversorgung ohne allzu grossen Aufwand abwürgen. Daher meint der chinesische Energiespezialisten Li Junfen: „Die Energieversorgung sollte dort sein, wo man seinen Fuss draufsetzen kann“. Für die Anhebung des Erneuerbarenziels gibt es aber noch einen weiteren Grund: Industriepolitik. Um sich einen möglichst grossen Anteil am schnell wachsenden Markt für saubere Energien zu sichern, hat China die Fertigungskapazitäten für Solarzellen und Windräder massiv ausgebaut. Dies hatte den gewünschten Effekt: Dank Wettbewerb und Skaleneffekten (und womöglich Regierungssubventionen wie Klagen von US Herstellern bei der Welthandelsorganisation WTO vermuten lassen) ist der Preis von Solarpaneelen auf unter einen Dollar pro Watt gefallen. Nun soll ein Teil des bestehenden Überangebots im Inland verbaut werden, da die herkömmlichen Exportmärkte wie Deutschland die Paneelschwemme nicht mehr absorbieren können.
Für die globale Umwelt entscheidend dürfte aber Chinas Haltung bei den Klimaverhandlungen sein. Zusammen mit den USA hält China „den Schlüssel“ für einen wirksamen Weltklimavertrag in der Hand, sagt Michael Zammit Cutajar, der erste Chef der UN Klimakonvention UNFCCC. „Die US Position zum Klimawandel ist zu einem Unterkapitel der amerikanischen und chinesischen Position auf der geopolitischen Bühne geworden. Das Resultat ist eine Tendenz sich zurückzuhalten. Beide ziehen es vor, sich nicht mit internationalen Verträgen die Hände zu binden.“ [2] Hinzu kommt, dass China bei der Klimakonferenz in Bangkok im September sein Selbstverständnis als Entwicklungsland wieder stärker in den Vordergrund gestellt hat. Zusammen mit Indien, den Ölexporteuren und den Ländern der “Bolivarische Allianz der Völker von unserem Amerika” wie Venezuela und Kuba hat China immer wieder auf die Unterscheidung zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern gepocht. Diese „Allianz der Unwilligen“ will verhindern, dass auch für Entwicklungsländer verbindliche Emissionsziele gelten. Nun bleibt abzuwarten, ob sich hier durch den Führungswechsel in Peking und die Wiederwahl der Regierung in Washington eine neue Dynamik ergibt. Eine erste Gelegenheit zum persönlichen Austausch haben US Präsident Barack Obama und Chinas Präsident Xi Jinping schon Anfang nächster Woche. Die beiden treffen sich beim Ostasiengipfel in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh. Da trifft es sich gut, dass Umweltschutz längst kein Nebenthema ist sondern ein Machtfaktor, sowohl innen- wie aussenpolitisch. mic
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[1] Foreign Policy, 15.11.2012: Apocalypse Mao
[2] Responding to Climate Change, 12.11.2012: USA election 2012: Why Obama or Romney is a vote for 6°C