Die Eröffnungszüge bei den Klimaverhandlungen

Entwicklungsländer bestehen auf höheren Reduktionszielen für Kyoto-Länder

Die Klimaverhandlungen in Doha sind ein Strategiespiel mit knapp 18’000 Teilnehmern und hochkomplexen Regeln. Nach den Eröffnungszügen lässt sich aber bereits erkennen, dass eine Gruppe von Entwicklungsländern auf eine Verzögrungstaktik setzt.

Die Klimadiplomaten spielen Simultanschach auf drei Spielbrettern, wobei die Möglichkeit besteht Figuren von einem Brett auch auf anderen einzusetzen. Und nun haben sie auf allen drei Brettern ihre Eröffnungszüge gemacht: Mittlerweile haben die Plenarversammlungen für den Kyoto-Strang, den Nicht-Kyoto-Strang und für den Durban-Strang stattgefunden und die Länder hatten die Möglichkeit sich mit ihren Eingangsstatements zu positionieren. Dabei gab es “keine Überraschungen”sagt Artur Runge-Metzger, der Leiter der EU Delegation. Oder anders gesagt: Die Länder haben ihre Maximalforderungen wiederholt und “graben sich immer tiefer in ihre Schützengräben ein”.

Dies gilt insbesondere für den Kyoto-Strang der Verhandlungen. Hier fordern die kleinen Inselstaaten, dass die Reduktionsziele für die verbleibenden Kyoto-Länder massiv verschärft werden. Dies ist aus Sicht der Klimawissenschaft angemessen und aus Sicht der Inselstaaten verständlich. Schliesslich droht diesen wortwörtlich der Untergang. Doch politisch ist diese Forderung unrealistisch. Die verbleibenden Kyoto-Länder, also die EU, die Schweiz, Norwegen und Australien, legen ihre Reduktionsziele unabhängig von den Verhandlungen fest. Ausserdem ist die Forderung “ein strategischer Fehler” sagt ein europäischer Diplomat. ‘’Der Vorschlag hat der Allianz der Unwilligen eine Vorlage geliefert. Mit der Legitimität der kleinen Inselstaaten im Rücken können sie nun den Verhandlungsfortschritt verzögern.’’ Konkret sieht das dann folgendermassen aus: China, Indien, die OPEC Länder und ein paar gleichgesinnte Entwicklungsländer fordern, dass die Kyoto-Staaten ihre Emissionen bis 2020 um 40 bis 50 Prozent reduzieren. Dabei wissen alle, dass anderthalb Wochen vor der Verlängerung des Kyoto-Protokolls eine Verdoppelung der Emissionsreduktionen unwahrscheinlich ist. Aber man kann darüber diskutieren stundenlang, tagelang und so Fortschritte in der Sache verhindern.

Doch der Kyoto Strang hat noch mit einem weiteren Scharmützel aufzuwarten: Viele Entwicklungsländer wollen verhindern, dass Industriestaaten, die nicht beim Kyoto-Protokoll mitmachen, CDM Projekte durchführen. Mit dem CDM können Industriestaaten Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern finanzieren und sich die CO2 Einsparungen auf ihre Emissionen anrechnen lassen. Davon profitieren eigentlich beide Seiten. Doch insbesondere die Allianz der Unwilligen meint, damit einen Hebel zu haben, um mehr Industrieländer zu einer Kyoto-Teilnahme bewegen zu können. In Frage kommen hier die USA, die Kyoto nie ratifiziert haben, sowie Japan, Neuseeland und Kanada, die bei der Verlängerung des Kyoto-Protokolls nicht mehr dabei sein wollen. Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass nur Neuseeland ein Interesse an CDM Projekten hat. Die USA haben noch nie solche Projekte gemacht und Kanada hat den Klimaschutz der Teersandlobby geopfert. Japan hat in der Vergangenheit viele CDM Projekte finanziert, setzt aber mittlerweile auf bilaterale Projekte ausserhalb des UN Systems. Einzig Neuseeland braucht diese Projekte für sein Emissionshandelssystem. Aber wenn Neuseeland keine CDM Projekte mehr durchfühern darf, kann es auch sein Emissionshandelssystem entsprechend anpassen. Der Ausschluss von CDM Projekten ‘’ist pure Ideologie’’ sagt denn auch ein europäischer Diplomat. ‘’Letztlich geht es den Entwicklungsländern darum sich für den Durban-Strang zu positionieren.’’

Damit spricht er die Möglichkeit an, Figuren von einem Spielbrett auf einem anderen einzusetzen. Natürlich geht es den Entwicklungsländern nicht darum, ob Neuseeland CDM Projekte durchführen kann oder nicht. Und selbst wenn Neuseeland doch noch bei der Verlängerung des Kyoto-Protokolls mitmacht, lässt sich dies nicht als grosser Sieg verkaufen. Es geht vielmehr darum, im Kyoto-Strang genug Druck aufzubauen, um in den beiden anderen Verhandlungssträngen Zugeständnisse zu erreichen. Im Nicht-Kyoto-Strang steht dabei die Geldfrage im Vordergrund. Doch in diesem Strang erlitten die Entwicklungsländer einen frühen Dämpfer: Der Vorsitzende Aysar Tayeb aus Saudi Arabien hat im Vorfeld von Doha einen Text ausgearbeitet auf dessen Basis nun verhandelt werden sollte. Doch die Industriestaaten lehnen diesen Text als Grundlage ab und wollen an den Stand der Verhandlungen bei der Vorbereitungskonferenz in Bangkok anknüpfen. Da Tayeb seinen Text ohne Mandat der Länder verfasst hat, ist der Text damit hinfällig. „Das hat sich erledigt.“ sagt Runge-Metzger. Trotzdem ist der Streit in der Eröffnungsversammlung ein schlechtes Zeichen und kann das Verhandlungsklima für viele, wertvolle Konferenztage vergiften.

Damit ist der Fortschritt im Durban-Strang gefährdet. Hier soll bis 2015 ein neuer Weltklimavertrag ausgehandelt werden, der dann ab 2020 allen Ländern verbindliche Emissionsziele vorgibt. Und genau diesen Moment will die Allianz der Unwilligen so lange wie möglich hinauszögern. Denn zur Zeit haben die Entwicklungsländer keinerlei Vorgaben für ihre Emissionen. Dabei geht es dieses Jahr im Durban-Strang nur darum, das Arbeitsprogramm für die Jahre 2013, 2014 und 2015 auszuarbeiten. Doch der Durban-Strang baut auf den anderen beiden Verhandlungssträngen auf und je weniger dort erreicht wird, desto langsamer kommt der Durban-Strang voran. Die Verzögerungstaktik ist ein durchsichtiges Manöver, aber das heisst noch lange nicht, dass es nicht funktioniert. mic

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