Der Klimawandel und die Wehrpflicht

Häufigere Naturkatastrophen erhöhen den Bedarf an Blauhelmeinsätzen

Diesen Montag präsentiert Verteidigungsminister Theodor zu Guttenberg die verschiedenen Optionen zur Reform der Bundeswehr. Gleichzeitig wird das Ausmass der Flutkatastrophe in Pakistan immer offensichtlicher. Zwischen den beiden Ereignissen besteht auf den ersten Blick kein Zusammenhang. Doch der erste Blick trügt.

Der Klimawandel führt zu einer Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen, haben die Wissenschaftler des IPCC vorausgesagt. Und auch wenn sich kein direkter Ursache – Wirkungszusammenhang zwischen einem einzelnen Extremwetterereignis wie dem Jahrhundertmonsun in Pakistan oder der Hitzewelle in Russland und dem Klimawandel nachweisen lässt, so entsprechen diese beiden Katastrophen doch dem vorhergesagten Muster. Und die Schäden sind immens: Die Verwüstung durch das Hochwasser in Pakistan übersteigt die Schäden des Tsunamis im Jahr 2004, des 2005 Erdbebens in Kaschmir, des Zyklons Nargis in Burma im Jahr 2008 und des Erdbebens in Haiti in diesem Jahr kombiniert, schätzen Experten gemäss New York Times. Aber das ist noch nicht alles, denn die Flutkatastrophe trifft eines der instabilsten Länder der Welt und wirkt als Gefahren-Verstärker: „Die Fluten sind eine nie dagewesene Herausforderung für die Sicherheit Pakistans und der Region. Grosse Teile des Landes, die nun abgeschnitten sind, werden von den pakistanischen Taliban übernommen und die Staatsverwaltung kollabiert. Die Gefahr ist, dass Pakistan zu dem wird, was viele schon lange voraussagen: Ein Gescheiterter Staat (eng. failed state) mit Nuklearwaffen.“ schreibt der pakistanische Journalist Ahmed Rashid, in der britischen Zeitung Telegraph. Er befürchtet also, wovor der Top-Analyst der US-Geheimdienste Thomas Fingar warnt: Für arme Länder kann der Klimawandel „der Strohhalm sein, der dem Kamel den Rücken bricht.“

Aber was hat dies mit der Bundeswehrreform zu tun? Die deutschen Streitkräfte sind weder bei der Hilfe für die Flutopfer aktiv noch können sie das Abgleiten Pakistans in immer grösseres Chaos verhindern. Rashid warnt zwar davor, dass wegen der Flutkatastrophe die Bemühungen der pakistanischen Armee zur Sicherung der Grenzgebiete zu Afghanistan leiden werden, und daher die Intensität der Kämpfe in Afghanistan weiter zunehmen wird. Doch darum soll es hier nicht gehen. Das Beispiel Pakistans zeigt einfach, dass Extremwetterereignisse nicht nur ein humanitäres Problem darstellen, sondern Konflikte in eh schon labilen Ländern verstärken oder auslösen können. Und diese Konflikte müssen gemanagt werden, um ein Ausbreiten zu verhindern. Dabei geht es sowohl um Präventionsmassnahmen, wie auch um friedenssichernde und friedenserzwingende Einsätze und schliesslich um den Wiederaufbau nach einem Konflikt. Dazu bedarf es eines umfassenden Ansatzes, der verschiedene Instrumente von humanitärer Soforthilfe, über Hilfe beim Aufbau einer funktionieren Staatsverwaltung bis zu militärischer Unterstützung kombiniert. Und genau das tut die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU. „Der kombinierte, zivile-militärische Ansatz erlaubt uns, massgeschneiderte Lösungen für komplexe Probleme zu offerieren.“ schreibt der ehemalige EU Aussenbeauftragte Javier Solana. „Das ist der einzigartige Mehrwert, den die EU zu bieten hat.“

Und für diesen Mehrwert gibt es eine steigende Nachfrage: In den letzten acht Jahren hat die EU an 24 multilateralen Einsätzen teilgenommen oder diese geführt. Doch diese Zahl darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Beteiligung von europäischen Truppen an UN Blauhelmeinsätzen gering ist. Gerade mal 4,5 Prozent der Blauhelme kommen aus Europa. Die meisten kommen aus Entwicklungsländern wie Pakistan oder Bangladesch. Dabei braucht die UNO dringend besser ausgebildete und ausgerüstete Truppen und die geringe Beteiligung der westlichen Staaten an Blauhelmmissionen gilt daher als Problem. Und genau hier setzt die Guttenbergsche Reform der Bundeswehr an. Denn selbst wenn es wollte, könnte Deutschland kaum mehr Blauhelme stellen. Von den 250 000 Bundeswehrsoldaten können nur 7000 bis 8000 im Ausland eingesetzt werden, also rund drei Prozent. Möchte sich Deutschland also vermehrt an Blauhelmeinsätzen beteiligen, muss die Bundeswehr reformiert und zu einer Einsatzarmee umgebaut werden. Und in einer solchen Einsatzarmee haben Wehrpflichtige nichts zu suchen. Sowohl Befürworter wie Gegner der Aussetzung der Wehrpflicht sind sich denn auch einig, dass der Aufbau einer Berufsarmee den vermehrten Einsatz der Bundeswehr im Ausland erst ermöglicht.

Und mit vermehrten Auslandseinsätzen ist in der Tat zu rechnen, wenn Naturkatastrophen wie in Pakistan an Häufigkeit und Intensität zunehmen. Denn ein Abseitsstehen wäre weder moralisch noch aus den Interessen Deutschlands heraus zu rechtfertigen. Moralisch stehen die Industriestaaten, die für den Grossteil der historischen CO2 Emissionen verantwortlich sind, in der Pflicht, die am meisten betroffenen Staaten nicht alleine zu lassen. Und praktisch ist es im Interesse Deutschlands und Europas die multilateralen Mechanismen zur Lösung von Konflikten zu stärken. Und dies beinhaltet eben nicht einfach Geld sondern auch eine adäquate Beteiligung mit Truppen. Kurz, die Bundeswehr muss in der Lage sein, vermehrt Blauhelm- und andere humanitäre Einsätze zu bestreiten. Denn bedauerlicherweise sind Frieden und Sicherheit nicht ein Zustand, sondern ein Produkt, ein Produkt, das immer wieder aufs neue hergestellt werden muss. mic

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS oder Email